Darm und Depressionen
Ein gutes Darmmilieu ist in jeder Hinsicht hilfreich für die Gemütslage. Nicht nur, dass die Verdauung und das Immunsystem mit voller Kraft arbeiten können. Wissenschaftler finden immer mehr Hinweise, dass eine gute Darmflora auch vor Depressionen schützt.
Vielen Errungenschaften der Humanmedizin gingen Versuche mit Mäusen voraus. Daher finden etliche Wissenschaftler es sehr spannend, wie unterschiedlich Nager reagieren, je nachdem ob sie ein intaktes oder gestörtes Darmmilieu haben.
So fütterte ein irisch-kanadisches Forscherteam eine Mäusegruppe mit Lactobazillus-rhamnosus-Bakterien, die in Joghurt vorkommen. Die Kontrollgruppe erhielt übliches Futter. Mit beiden Gruppen wurde ein Verhaltenstest durchgeführt. Sie hatten die Wahl zwischen Freiflächen und Flächen, die mit Wänden geschützt waren. Das Ergebnis: Die mit Joghurtbakterien gefütterten Mäuse zeigten sich weniger ängstlich. Sie liefen häufiger auf die Freiflächen, als ihre mit normalem Futter versorgten Artgenossen.
Weitere Untersuchungen mit Mäusen kamen zum gleichen Ergebnis. Nager mit einer intakten Darmflora sind offener und selbstbewusster. Ist der Darm mit krankmachenden Keimen belastet, sind die Mäuse zurückgezogener und ängstlicher.
Lassen sich diese Ergebnisse auf Menschen übertragen? Der Londoner Immunologe Prof. Graham Rook ist davon überzeugt. Die Darmflora reguliert nämlich Entzündungsprozesse im Körper. Und bei entsprechender Veranlagung eines Menschen können anhaltende Entzündungsreaktionen die Gemütslage durchaus beeinflussen. So zitiert ihn die Fachzeitschrift „Drug Discovery Today“.
Entzündungen führen zu Depressionen
Auch andere Wissenschaftler sehen einen engen Zusammenhang zwischen dem Anstieg von Entzündungsparametern und dem Entstehen einer Depression. Entzündliche Prozesse liegen zum Beispiel vor, wenn Menschen an Übergewicht, Asthma oder dem Reizdarmsyndrom leiden. Menschen, die Krebs oder eine virale Hepatitis haben, bekommen häufig immunstimulierende, sprich entzündungsfördernde Medikamente. Es wurde festgestellt, dass als Nebenwirkung Depression auftreten kann. Für Wissenschaftler ein weiteres Indiz für den Zusammenhang von gestörter Darmflora, Entzündungen und Depressionen.
Vielfach spüren wir gar nicht, dass wir bereits eine Entzündung im Körper tragen oder wir messen ihr keine besondere Bedeutung zu. Allerdings ist bekannt, dass selbst Parodontitis negative Auswirkungen auf den gesamten Stoffwechsel hat. Auch eine Entzündung im Zahnfleisch kann sich irritierend auswirken und die Entstehung von ernsthaften Krankheiten begünstigen z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs, Alzheimer, Diabetes mellitus oder Insulinresistenz.
Die englische Neurologin Dr. Natasha Campbell-McBride hat sich ebenfalls intensiv mit der Darmflora beschäftigt. So kam sie darauf, ihrem an Autismus leidenden Sohn mit Probiotika angereicherte Nahrung zu geben. Dadurch konnte sie dessen entzündliche Prozesse im Körper reduzieren. Autismus lässt sich damit zwar nicht abstellen, doch gewisse Symptome werden gelindert. Campbell-McBride prägte den Begriff „GAPS“ – Gut and Psychology Syndrome (auf deutsch: Darm- und Psyche-Syndrom), der den Zusammenhang zwischen Darmgesundheit und geistiger Gesundheit beschreibt.
Für Gesundheitsinteressierte ist die Verbindung von Darm und Gehirn gar nicht so abwegig: Viele, die Darmsanierungen machen, berichten, dass im Nachgang nicht nur ihr Darm wie befreit ist, sondern sie auch mental besser drauf sind. Bislang wurde das immer mit der Ausleitung von Giften und alten Verkrustungen im Darm erklärt. Es hängt jedoch unter anderem damit zusammen, dass bei einer Darmreinigung krankmachende Keime ausgeschleust werden und die Darmflora danach aufgebaut wird. Darüber hinaus bestehen zwischen Darm und Hirn zahlreiche Nervenverbindungen. Was unten passiert, kommt also oben an.
Die Darm-Hirn-Achse
Seit Jahren ist immer wieder zu lesen, dass unser Darm und das Gehirn in enger Verbindung miteinander stehen. So führen vom Bauch in das Gehirn mehr Nervenstränge, als umgekehrt. Inwieweit Vorgänge im Darm sich hemmend auf die Psyche auswirken, scheint mit der Sensibilität der Darm-Hirn-Schranke zusammen zu hängen. Sie kann durch Stress in frühen Lebensjahren erhöht sein. Wie intensiv sich Darm und Hirn austauschen, machen Forscher unter anderen an Patienten fest, die von Reizdarm betroffen sind. Studien zeigen, dass 40 Prozent von ihnen an Angsterkrankungen und häufig auch an Depressionen leiden. Baut man ihre Darmflora auf, zum Beispiel mit Probiotika, beruhigt sich nicht nur der Darm, sondern offenbar kommen auch die Nerven ins Lot. Insofern lindern Probiotika auch Stress!
Emeram Mayer, Neurogastroenterologe und Professor für Physiologie an der University of California sieht im Zentrum der Bauchgefühle auch den Sitz der Intuition. Das würde bedeuten: gute Darmflora = gute Intuition. Der Wissenschaftler ist der Ansicht, dass aus dem Bauch die größte Masse an Informationen zum Gehirn fließt. Den ganzen Tag würde der Bauch dem Hirn Geschichten erzählen.
Weiterhin entdeckten Wissenschaftler, dass Angstzustände und Depressionen durch ein Ungleichgewicht von verschiedenen Botenstoffen im Gehirn gekennzeichnet sind und diese mit funktionellen Darmstörungen, wie dem Reizdarmsyndrom einhergehen. Daran ist maßgeblich der Vagusnerv beteiligt, der unter anderem die Tätigkeit fast aller inneren Organe reguliert und auf der sogenannten Darm-Gehirn-Achse zwischen Verdauungstrakt und Zentralnervensystem vermittelt.
Einer der Botenstoffe, der bei diesen Verbindungen eine Rolle spielt, ist der Nervenwachstumsfaktor BDNF. Dessen Pegel scheint bei einer Störung des Darmmilieus durch krankmachende Keime aus den Fugen zu geraten. Und das Ungleichgewicht beim BDNF steht wiederum in Zusammenhang mit Angststörungen und Depressionen. Das wurde durch Studien mit Mäusen belegt. Sorgt man bei Betroffenen allerdings für eine ausgewogene Darmflora, pendelt sich auch der BDNF-Spiegel wieder ein.
Heilpraktiker und Ärzte für Naturheilverfahren empfinden es als logisch, dass sich eine Übersäuerung des Darmes auf die Psyche auswirkt. So wie auch Alkohol das Bewusstsein verändert, kann ihrer Überzeugung nach ein saures Milieu im Darm unsere mentale Befindlichkeit beeinflussen.
Darmflora schenkt Vitalität
Unsere Abwehrkraft hängt entscheidend von unserer Darmflora ab. Wenn sich 90 % gute Bakterien (Bifido- und Lactobakterien) im Darm befinden, die die restlichen 10 % krankmachender Keime in Schach halten, ist alles in Ordnung. Doch Katharina Sonnleitner und Reiner Schmid schreiben in ihrem sehr lesenswerten Buch „Der Darm – Zentrum Ihrer Gesundheit“, dass ein Darm mit einem gesunden Milieu bei Erwachsenen schon fast zur Ausnahme gehört und diese unheilvolle Entwicklung auch zunehmend bei Kindern zu beobachten ist. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns wohl nicht wundern, dass Zivilisationskrankheiten, Übergewicht und degenerative Erkrankungen des Nervensystems immer weiter zunehmen. Die meisten Menschen sind sich nicht darüber im Klaren, wie wichtig eine gesunde Darmflora für ihr Leben ist.
Ein gestörtes Darmmilieu wird auch als „Dysbiose“ bezeichnet. Ein Ungleichgewicht, das zur Selbstvergiftung des Körpers führt und die Darmschleimhaut empfindlich schädigen kann. Die Entstehung von Krankheiten wie Leaky-Gut-Syndrom, Migräne, Allergien, Hautproblemen, Rheuma, Herz- und Blutgefäßerkrankungen, chronische Müdigkeit, Leistungsabfall, Immunschwäche und Depressionen/Angstzuständen wird dadurch begünstigt.
Bei einer gestörten Darmflora und bereits eingetretenen ernsthaften Gesundheitsstörungen muss die Ernährungs- und Lebensweise gründlich überdacht werden. Gute Bakterien brauchen nahrhafte Lebensmittel. Leider ist das Wissen darüber, welche Produkte Energie schenken, vielen nicht mehr präsent.
Oft muss es mit Einkauf und Einnahme der Mahlzeit schnell gehen und das bedeutet über Kurz oder Lang nicht nur einen Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen und Enzymen, sondern auch Zuführung von gesundheitsschädlichen Lebensmittel-Zusatzstoffen*, die sich auf die Psyche auswirken können.
Erhöhter Verzehr von Fleischprodukten, Milch-, Weißmehlprodukten, Zucker sowie Medikamente wie Antibiotika können ebenfalls die Darmflora schädigen und somit die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit eines Menschen herabsetzen.
Vitalstoffe bekommen wir in den seltensten Fällen durch Produkte, die im Supermarkt erhältlich sind. Regionale Biobauern und der nächste Bioladen sind die bessere Wahl, um viel frisches Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und wenig Produkte aus Zucker, Milch und Fleisch zu kaufen. Wer Rohkost und Vollkornprodukte nicht so gut verträgt, sollte zu fermentierten Lebensmitteln wie fermentierte Braunhirse, Konzentrate aus verschiedenen Früchten und Gemüse greifen oder sich eine schonend zubereitete Mahlzeit aus Obst und Gemüse bereiten, damit die Vitamine und Mineralstoffe erhalten bleiben. Enzyme sind sehr hitzeempfindlich, besser man nimmt sie über Säfte oder Smoothies zu sich. Auch die hochwertigen Nahrungsergänzungen mit Zutaten aus natürlichen Quellen sind eine gute Wahl, besonders für Menschen, die beruflich oder im Alltag sehr beansprucht sind. Eine individuelle Beratung schafft Klarheit, welches Produkt die beste Wahl ist.
Starke Nerven durch Probiotika
Befindet sich das richtige Maß an Vitalstoffen in unserer Nahrung, profitiert nicht nur das Milieu in unserem Darm davon, sondern wir verfügen auch über ausreichend Mengen an Neurotransmitter. Diese sind im Gehirn für den Informationsaustausch zuständig. Es ist bekannt, dass es zu Stimmungstiefs kommen kann, wenn der Pegel dieser Botenstoffe gesenkt ist. Ein Aufbau von Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und Endorphine kann also helfen, uns mental in die Mitte zu bringen.
Viele Menschen nehmen eine Menge Vitamine und Mineralstoffe zu sich, kümmern sich jedoch nicht um ihre Darmflora. Es sollte genau umgekehrt sein, denn diese Nährstoffe können vom Organismus erst aufgenommen und optimal verwertet werden, wenn die Darmflora in Ordnung ist.
Da eine Darmreinigung mit Kräutern oder Colon-Hydro-Therapie nicht in jeden Alltag passt, wäre die Aufnahme von Probiotika die einfachste und schnellste Möglichkeit der Darmflora beim Aufbau zu helfen. Die regelmäßige und ausreichende Versorgung mit Probiotika stellt somit eine sehr gute Schutzmaßnahme dar, um Entzündungen in Schach zu halten.
Weil Probiotika so wichtig für den Körper sind, ging man in Schweden dazu über, Patienten nach Operationen grundsätzlich mit probiotischen Lebensmitteln zu versorgen, um ihr Immunsystem wieder zu stärken und Magenverstimmungen entgegen zu wirken. Darüber hinaus können die nützlichen Bakterien bei Blähungen, Bauchschmerzen, Reizdarm, Durchfall, Dickdarmentzündungen und Darmkrebs hilfreich sein, erklärt der Wissenschaftler Glenn Collins von der University of Reading in England.
Probiotika sind nicht nur eine erste Hilfe bei Befindlichkeitsstörungen. Sie eignen sich zur Dauerversorgung für alle, die ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gewährleisten möchten.
Hinweis:
Mehr Informationen zu den schädlichen Auswirkungen von Zusatzstoffen finden Sie in diesem Video (Laufzeit: 8 Minuten)
http://www.wdr.de/tv/servicezeit/sendungsbeitraege/2011/kw45/1109/00_mogelpackung.jsp
u.a. Natasha Campbell McBride
Quellen (u.a.):
Sonnleitner/Schmid: „Der Darm – Zentrum Ihrer Gesundheit“
http://www.bild-der-wissenschaft.de/bdw/bdwlive/heftarchiv/index2.php?object_id=32638674
Gehirn&Geist, Nr. 4/2012, Seite 50